Dieser Artikel erschien am 07. September 2024 in der SHZ (zum Online-Beitrag)

Karin Lubowski

Im 17 Jahrhundert floh eine 21-jährige Lübeckerin vor der Zwangsheirat nach Südafrika und gründete dort eines der ersten Weingüter. Aus dieser Erzählung ist ein Roman entstanden. Doch stimmt sie?
Eine Spurensuche.

Lübeck, 1662: Catharina Ustings ist 21 Jahre alt, als sie, aus Lübeck vor einer Zwangsheirat geflohen, ans Kap der Guten Hoffnung gelangt und dort eines der ersten Weingüter in der Geschichte Südafrikas gründet. So erzählt es der Roman „Die Löwin vom Tafelberg“, mit dem die Autorin Inés Keerl für den Literatur-preis „Goldener Homer“ nominiert ist, der im September in Lübeck verliehen wird ein Abenteuer mit wahrem Kern.

Catharina stammt aus Lübeck. So wird es auf dem südafrikanischen Weingut Steeberg erzählt, das sich auf eine wagemutige Norddeutsche als Gründerin beruft. 1682 habe der Betrieb unter dem Namen „Swaaneweide“ die Arbeit aufgenommen; Catharina sei gerade einmal zehn Jahre, nachdem Jan van Riebeeck die Kapkolonie begründet hatte – eine der ersten Frauen in Südafrika mit Landbesitz gewesen. Auch in einem Reiseführer war sie erwähnt, den Inés Keerl bei ihrer ersten Reise ans Kap in Händen hielt. Und Feuer fing.

Ich wollte schon immer einen Roman schreiben“, sagt die Drehbuchautorin, die vergangenes Jahr mit „Die Löwin vom Tafelberg“ ihren ersten Roman vorgelegt hat. Und klar, sie hat sich dabei auch künstlerische Freiheit herausgenommen. Den Spuren ihrer Protagonistin ist sie aber mit Methoden nachgegangen, die mit ihren Fragen nach Wahrscheinlichkeiten angesichts historischer Umstände denen der experimentellen Archäologie ähneln.

Belege über die Lübecker Herkunft Catharina Ustings gibt es nicht. Keine Erwähnung in Kirchenbüchern. Auch im Archiv der Hansestadt ist nichts zu finden. In den dort vorhandenen genealogischen Quellen hat Archivarin Meike Kruse mehrfach nach entsprechenden Informationen gesucht, doch Der Familienname Ustings oder Abwandlungen wie Ufftinex, Ufftinex, Ufftings etc. ließen sich bisher nicht nachweisen. Es ist durchaus möglich, dass Catharina Ustings nicht direkt aus Lübeck, sondern aus der Nähe stammte“, so Meike Kruse. Sie hält es für wahrscheinlich, dass „Ustings“ aus „Vestings“ beziehungsweise „Festings“ entstanden ist, denn Personen namens Catharina Vestings/Festings lassen sich im 17. Jahrhundert feststellen, aber: „Die dort enthaltenen Informationen reichen nicht aus, um den Bezug zu Catharina Ustings zweifelsfrei herzustellen.“

In Südafrika dagegen ist man sich sicher, dass eine Catharina aus Lübeck mit der vom Cap identisch ist. Ein Eintrag auf der genealogischen Website „WikiTree“ berichtet: „Born about 1641 in Lübeck, Freie und Hansestadt, Heiliges Römisches Reich.“ Zu erfahren ist dort außerdem von fünf Eheschließungen; die erste 1660 mit einem Unbekannten noch auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches. Ehe Nr. 2 geht Catharina 1662 mit dem aus Bremen stammenden Hans Ras (bzw. Rasch) ein, dies schon wie die folgenden drei Ehen am Kap. Ehemann Nr. 3 ist 1672 der in Belgien geborene François Schanffelaar; Ehemann Nr. 4 wird 1673 der gebürtige Schwede Laurens Cornelisz. Die fünfte Eheschließung erfolgt 1680 mit dem im schleswig-holsteinischen Glückstadt geborenen Matthys Michaelsz (bzw. Michels).

Dreimal gut etabliert, dreimal wieder verarmt

Inés Keerl belässt es bei den vier Hochzeiten in Südafrika. In ihrem Roman flicht Catharina aus Lübeck, ehe ihre Ziehmutter sie in eine Ehe mit einem Trunkenbold zwingen kann in Männerkleidern, denn wie die Autorin recherchiert hat taucht auf der Schiffsliste des tatsächlich damals existierenden Schiffes „Hoff van Zealandt” das am 25. Juli 1662 das Kap der guten Hoffnung erreicht, keine Frau auf. Wenn Catharina mit diesem Schiff am Kap gelandet ist, dann wohl verkleidet.

Die Frau, die Lübeck nach südafrikanischen Berichten verlässt, geht am Kap als Tryn (von Catharina) Ras (der Name des ersten ihr dort angetrauten Ehemannes) in die Geschichte des Weinbaus ein auch der Schicksale ihrer Ehemänner wegen Im Informationsgetümmel des WikiTree Eintrags ist aus dem Tagebuch eines Baron van Reede zitiert. Der erste (Ehemann) war von einem Löwen getötet worden, der zweite von den Hotten totten und der dritte wahrscheinlich von einem Elefanten, denn er war ausgezogen, um Nilpferde für seine Familie zu schießen, und man hörte nie wieder von ihm“, so die deutsche Übersetzung.

Beschrieben wird Catharina Ustings alias Tryn Ras weiter als unabhängige, unerschrockene, dreimal gut etablierte und ebenso oft wieder verarmte Frau „mit einem Haus voller Kinder und nunmehr mit ihrem Vorarbeiter verheiratet. Drei Söhne und drei Töchter werden ihr bei „WikiTree“ zugeschrieben. Den Löwen, der ihren ersten Mann getötete hatte, soll sie einer Legende nach verfolgt und noch am selben Tag erschossen haben.

Das Weingut Steenberg, das sich auf die Norddeutsche als Gründerin beruft, berichtet von einem 1688 erhaltenen Eigentumstitel, der Catharina das Mandat erteilt, den Hof unterhalb des Steinbergs zu bebauen, zu pflügen und zu säen und auch zu besitzen“. Und weiter: „Der ursprüngliche Name des Hofs war ‘Swaaneweide’ – der Futterplatz der Schwäne. Catharina, vielleicht überwältigt von Nostalgie für die Schwäne ihrer Heimat Lübeck, verwechselte die Sporngänse der Gegend mit Schwänen. Diese Gänse laufen noch immer frei auf dem Anwesen umher und erinnern an Catharinas Zeit.“

War sie ein uneheliches Kind und floh als blinder Passagier?

An ihre Zeit erinnert auch der Steenberg-Rotwein Catharina“, das Restaurant, das auf dem Weingut betrieben wird, trägt den Namen, „Trys“ „Und Catharinas früheres Haus ist heute die Hochzeitssuite“, sagt Inés Keerl. Catharina wird 67 Jahre alt. Sie stirbt 1706 am Kap der guten Hoffnung. Ihr fünfter Ehemann hat sie überlebt.

Im deutschen Norden wird ihr Name mit einem Roman präsent. Inés Keerl vermutet, dass Catharina Ustings ein uneheliches Kind gewesen ist und deshalb in keinem Kirchenbuch auftauchte. In ihrem Buch ist sie eine Waise, die in dem politisch unruhigen und wirtschaftlich unsicheren 17. Jahrhundert aufwächst. Die Roman-Catharina arbeitet als Schankmädchen „Im alten Zolln“ den es als älteste Gastwirtschaft der Stadt seit 1589 bis heute gibt, sie flieht 1661 durch die damals mächtige Holstentor-Anlage Richtung Hamburg, wo sie sich als blinder Passagier auf die „Hoff van Zealandt“, einen Segler der Vereinigten Ostindischen Companie, stiehlt.

So könnte es gewesen sein. Inés Keerls Roman erzählt aus Catharinas südafrikanischem Leben. Ein zweiter Band ist in Arbeit, und der, so die Autorin, „endet am Ziel ihrer Träume“

Inés Keerl: „Die Löwin vom Tafelberg, Catharina Ustings’ kühner Weg in die Freiheit”. Emons Verlag, 448 Seiten, 15 Euro.


„Goldener Homer“
Preis für historische Literatur

Seit 2014 vergibt der in Leipzig ansässige Verein Homer Historische Literatur den Literaturpreis „Goldener Homer“, in diesem Herbst zum ersten Mal in Schleswig-Holstein. Unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Jan Lindenau wird am 14. September im Audienzsaal des Lübecker Rathauses der beste deutschsprachige historische Roman des Jahres 2023 ausgezeichnet. Ebenfalls zum ersten Mal stellen die zehn Nominierten am Abend vorher (13. September, 19 Uhr) im Scharbausaal der Stadtbibliothek sich und ihre Werke einem Publikum vor, das unabhängig vom Jury-Entscheid seinen Favoriten küren kann.

Nominiert sind Andreas J. Schulte mit „Hildegard von Bingen und das Siegel des Königs“, René Anour mit „Die Totenärztin. Schattenwalzer”, Inès Keerl mit „Die Löwin vom Tafelberg“, Noah Martin mit „Florenta im Glanz der Medici“, Jørn Precht mit „Die Heilerin vom Rhein”, Erika Weigele mit „Der Buchmaler von Zürich”, Ingo Gach mit „Das Blutgericht von Köln”, Nadja Raiser mit „Die Weltenseglerin“, Ulrike Fuchs mit „Reporterin für eine bessere Welt“, Michael Römling mit „TANKRED”.
Tickets und Informationen: https://literaturforumluebeck.de/veranstaltungen